Prozessionen


Prozessionen waren immer ein besonderes Ereignis im Kirchenjahr. Der Zug der singenden und betenden Gläubigen durch das mit Fahnen und Girlanden geschmückte Dorf, die Blumen und die Blasmusik schufen eine ganz besondere Atmosphäre, die die Walltage vom tristen Alltag abhoben.


Die Fahnen an der Spitze der Prozession

Für die Prozessionen gab es eine genau festgelegte „Marschordnung“. An der Spitze des Zuges liefen zwei Ministranten mit Fahnen, zwischen ihnen ein weiterer Ministrant, der das Kreuz trug. Im Anschluß daran folgten die Schulkinder. Dabei kamen zuerst die Schulbuben, dann die Mädchen. Die Kinder liefen nach Jahrgängen getrennt in zwei Reihen. Zwischen ihnen ging der Lehrer, der für Ruhe sorgen mußte.

Nach den Schulkindern kamen die Männer, zuerst die jüngeren, als letzte die alten. An diese schloß sich die Blasmusik an, die die Prozession feierlich umrahmte.


Die Blasmusik Ende der vierziger Jahre

Hinter der Musik schritt der Pfarrer mit vier Ministranten. Diese trugen die benötigten Utensilien, Weihrauchfaß und -schiffchen sowie den Weihwasserkessel.

An den Feiertagen, an denen der Pfarrer die Monstranz mit sich trug, wurde zusätzlich von vier Männern der Kirchenverwaltung in Gehrock und Zylinder der „Himmel“ mitgetragen. Dieser war mit den Symbolen der vier Evangelisten bestickt und beschirmte den Pfarrer und das Allerheiligste während der ganzen Prozession. Neben dem Pfarrer mit dem Allerheiligsten schritten noch zwei Männer, die in einer Hand eine Kerze, in der anderen den Zipfel des Umhangs des Pfarrers hielten. Früher hatten dieses Amt der Bürgermeister und der Kirchenpfleger inne, bis es dem Bürgermeister im Dritten Reich verboten wurde.


Die Schulkinder mit Lehrer Morche an der Spitze des Prozessionszuges.

Nach dem Pfarrer folgten die Frauen, wie die Männer gingen auch sie nach dem Alter geordnet. Den Abschluß des Zuges bildeten die alten Frauen, von denen einige noch die Ochsenfurter Gautracht trugen. Die letzte Trägerin der Tracht, Frau Justine Schöpf, ist 1995 verstorben.

Zum Ansagen der Liedstrophen und Anstimmen der Gebete waren junge Mädchen als Vorbeterinnen eingesetzt. Diese  gingen an drei Stellen des Prozessionszuges. Die erste vorn bei den Kindern, die zweite vor der Musik, die dritte bei den Frauen. Seit der Einführung eines Lautsprechers gibt es nur noch einen Vorbeter.

Alle Prozessionen, bei denen das Allerheiligste mitgeführt wurde, wurden von einer Marienstatue begleitet, die von den vier „Marienbildmädchen“ in weißen Kleidern getragen wurde. Die Marienbild-Mädchen mußten „anständige Mädchen“ mit gutem Ruf sein; sie hatten früher sogar eine eigene Bank in der Kirche. Um die Statue an den Stationen abstellen zu können, wurde von zwei Buben ein Tischchen mitgetragen.


Die Marienbildmädchen tragen die Marienstatue

Bei den Frauen wurde eine Marienfahne mitgeführt. Die noch heute verwendete Fahne ist unter Pfr. Dr. Erbacher als Ersatz für die bis dahin benutzte, die in sehr schlechtem Zustand war, angeschafft worden.

Auch die katholische Landjugend hatte früher eine Fahne, die bei den Kindern mitgeführt wurde.

Sonst wurde häufiger als heute gewallt. An den Bittagen in der Woche vor Christi Himmelfahrt, wie auch heute noch, an drei Tagen. Am Sonntag wurde nach dem Gottesdienst durch die Flur gewallt. Mit den Flurgängen sollte um gutes Wetter für die Ernte und Schutz vor Unglücken gebeten werden.

Am nächsten Tag, dem „Bittmontag“, wurde früher nach Ingolstadt gewallt. Der Weg durch die Flur war dabei mit Bildstöcken gekennzeichnet. Die Kinder hatten an diesem Tag schulfrei. Mit den Eßfeldern wallten auch noch die Giebelstädter nach Ingolstadt. Da die Ingolstädter Kirche sehr klein war, fanden die vielen Gläubigen keinen Platz darin. Die Eßfelder bemühten sich daher immer, schnell in Ingolstadt zu sein, um vor den Giebelstädtern die wenigen Sitzplätze zu ergattern. Da Giebelstadt jedoch näher bei Ingolstadt liegt, waren meistens die Giebelstädter erster. Nachdem alle Walleute angekommen waren, begann der Bittgottesdienst. Nach der Messe gingen die Wallfahrer in die Wirtschaft, um sich mit „Wallwürscht“ und Kipf zu stärken. Einige besuchten auch Verwandte und Bekannte in Ingolstadt. Nach etwa einer Stunde gaben die Kirchenglocken das Zeichen für den Rückmarsch, die Wallfahrtszüge formierten sich und zogen heimwärts nach Giebelstadt und Eßfeld.

1954 führte unter Pfarrer König zum ersten Mal die Bittprozession statt nach Ingolstadt nach Giebelstadt, da die neugebaute Giebelstädter Kirche viel mehr Platz bot. Die Ingolstädter protestierten heftig dagegen und kamen dafür am nächsten Tag nicht, wie bisher üblich, nach Eßfeld.

Neben den Ingolstädtern kamen am Bittdienstag auch die Giebelstädter und Darstädter Gläubigen nach Eßfeld. Die Kinder hatten am Vormittag wieder keine Schule, erst nachdem die Wallfahrer wieder den Rückweg angetreten hatten, begann der Unterricht.

Die große Eßfelder Kirche bot genügend Platz für alle; trotz des Ingolstädter Boykotts kamen die Giebelstädter und Darstädter auch weiterhin am Dienstag nach Eßfeld. Einige Jahre später wurde der Brauch aber ganz aufgegeben.

Die dritte Bittprozession der Bittage fand am Mittwochmorgen statt. Sie führte von der Pfarrkirche zur Nikolauskapelle, wo Gottesdienst gehalten wurde. Anschließend ging es wieder zurück zur Kirche, wo die Wallfahrt mit dem Schlußsegen beendet wurde. Für die Kinder begann anschließend die Schule, die Erwachsene gingen an ihre Arbeit.

Die feierlichste Prozession war die Fronleichnamsprozession. Die Häuser wurden dafür mit Fahnen und Girlanden geschmückt. Heiligenbilder wurden an die Hoftore gehängt, Heiligenfiguren und Kerzen aufgestellt.


Fronleichnamstation

An vier Stellen im Ort wurden Stationen aufgebaut, die besonders schön geschmückt waren. In der Mitte stand ein Tisch mit weißer Decke, Kreuz und Kerzen, auf den der Pfarrer während der Prozession die Monstranz abstellte.

Vor den Stationen waren Muster aus Blüten auf den Boden gestreut, um den Altar standen Zweige von jungen Birken. Die Straßen, auf denen sich der Prozessionszug bewegte, wurden am Morgen vor der Prozession mit gehäckseltem Gras bestreut. Die Stationen waren seit Menschengedenken die gleichen. Erste Station war am Kreuz vor Nr. 24 (Ernst Mark), die zweite am Altar bei Nr. 34 (Alfred Reinhard, s. Foto oben). Dieser wurde 1842 gestiftet. Die Inschrift darauf lautet: „Zu Ehren des gekreuzigten Heilands und der hl. Dreifaltigkeit hat Johann Braun dieses Bild hierher setzen lassen im Jahre 1842“.

Die dritte Station befand sich vor Nr. 63 (Günther Wirsching), wo früher ein Bildstock stand. Die vierte schließlich war am Garten von Richard Raps. Dort steht heute ein neuer Bildstock, es befand sich aber bereits früher einer an dieser Stelle.

Bei der Fronleichnamsprozession gingen zusätzlich noch die Kinder, die im selben Jahr ihre erste hl. Kommunion feierten, mit der Kommunionkerze mit. Vor dem Himmel liefen die Kindergartenkinder, die aus kleinen Körbchen Blüten streuten.


Die Kindergartenkinder streuen Blüten

Die Prozession ging durch das ganze Dorf, an den vier Altären wurde Station gemacht. Jedesmal stellte der Pfarrer die Monstranz auf dem Altar ab und las das Evangelium. Nach dem „Tantum ergo“ erteilte er mit der Monstranz den Segen, wobei sich die Gläubigen hinknieten. Nach der vierten Station wurde noch einmal in die Kirche gezogen, wo der Schlußsegen empfangen wurde.

Während die bisher genannten Prozessionen noch heute stattfinden, wurde die Prozession am „Hagelfeiertag“ abgeschafft. Dieser war eine Woche nach Fronleichnam. Die Prozession sollte um Schutz vor Unwetter und Hagelschlag bitten. Der äußere Rahmen der Prozession war genauso festlich wie an Fronleichnam, es wurde nur ein anderer Weg eingeschlagen. Wie an Fronleichnam gab es auch wieder vier Stationen, jedoch an anderer Stelle.

Es soll sich beim Hagelfeiertag um einen „gelobten Feiertag“ handeln, d. h. er geht auf ein in früherer Zeit gemachtes Gelöbnis, wahrscheinlich nach einem schweren Hagelschlag zurück. Möglicherweise war ein solcher, der 1547 Eßfeld heimsuchte, der Auslöser, damals wurde die Ernte völlig vernichtet, so daß sich die Bauern sogar das Saatgetreide für das nächste Jahr ausleihen mußten (3). Dieser Feiertag wurde auch in einigen anderen Orten des Ochsenfurter Gaus gefeiert. Der Hagelfeiertag sollte der Überlieferung zufolge nach der Einführung der Hagelversicherung abeschafft werden, was aber zum Widerspruch des damaligen Bürgermeisters Michael Körner führte. Dieser gab in einer Gemeinderatssitzung zu bedenken: „Was man versprochen hat, solle man auch halten.“ Die darauffolgende Abstimmung endete mit der Beibehaltung des Feiertages. Aufgehoben wurde er schließlich während der NS-Zeit.

Eine andere Erklärung der Entstehung dieses Feiertages führt ihn auf heidnischen Ursprung zurück. Das Wort „Hagel“ hat mit der Wettererscheinung nichts zu tun, sondern soll auf einen germanischen Brauch basieren. Unsere Urahnen pflegten jeden Frühjahr einen Umzug zu Ehren der wiederkehrenden Sonne, der „Hagal“, zu halten. Um bei der Bekehrung der heidnischen Stämme leichter zum Erfolg zu kommen, wurden deren Bräuche von den Missionaren vielfach nicht einfach verboten, sondern in christliche Feste umgewandelt.

Welcher der beiden Erklärungen auf unseren Ort zutreffen, läßt sich nicht eindeutig sagen, möglicherweise haben beide ihren Anteil an der Entstehung des Feiertages.

Ebenfalls abgeschafft wurde die Bittprozession am Markustag (25. April) nach Tückelhausen. Pfarrer Amrhein berichtet zwar über diese (4), doch können sich nicht einmal die mehr die ältesten Einwohner an eine Prozession nach Tückelhausen erinnern. Laut der Kestler-Chronik von 1845 wurde die Wallfahrt 1682 untersagt.

Neben diesen Wallfahrten, die durch das ganze Dorf und sogar ins Nachbardorf führten, wurde an Ostern, Pfingsten, Allerheiligen und am Kirchenpatrozinium Peter und Paul auf dem Friedhof gewallt. Auch hier wurde das Allerheiligste und die Marienstatue mitgeführt. Weiterhin wird über eine Wallfahrt im Jahr 1586 nach Dettelbach berichtet, die aus 60 Personen bestanden hat. Ob auch in anderen Jahren dorthin gewallt wurde, ist nicht überliefert (5). Eine weitere Wallfahrt, die die Eßfelder bis aufs Käppele nach Würzburg führt, geht auf ein Gelübde vom 10. September 1944 zurück. Die Eßfelder gelobten sie damals der Gottesmutter, wenn sie das Dorf vor Kriegseinwirkung behüte. Nach dem Krieg erfüllten die Eßfelder dieses Versprechen. 1978 wurde die Wallfahrt wieder aufgenommen und seitdem jedes Jahr durchgeführt. Die Wallfahrer werden dabei von der Eßfelder Blasmusik begleitet, außerdem schließen sich auch Walleute aus anderen Ortschaften an.



(3)AMRHEIN, A.: Geschichte des Pfarrdorfes Eßfeld, S. 114
(4)ebd.: S. 155
(5)Quellen und Forschungen zur Geschichte des Fürstbistums Würzburg, Bd. 36, S.309